Schlechte Abläufe kosten jeden Tag Geld. Nicht die große Investition schmerzt, sondern Minuten hier, Umwege dort, fünf Nachfragen im Team. Am Ende zahlt die Praxis mit Zeit, Nerven und Marge. Wer seine Prozesse nicht kennt, rechnet die Kosten nicht. Wer sie nicht rechnet, verbessert sie nicht. Genau hier setzt Prozessoptimierung in der Arztpraxis an.
Warum das Thema jetzt zählt
Kinderarztpraxen arbeiten im Takt. Hohe Nachfrage, Telefonlast, Elternkommunikation, Dokumentation. Kleine Reibungen summieren sich schnell. Zusätzlich prüfen KVen und Kassen Standards und IT-Sicherheit. Personal ist knapp. Digitalisierung in der Kinderarztpraxis ist verfügbar, aber ohne klare Praxisorganisation bleibt sie Flickwerk. Wer jetzt Transparenz schafft, hebt sofort Wirtschaftlichkeit und senkt Stress.
Wo die versteckten Kosten entstehen
- Fragmentierte Arbeitsschritte statt Fluss
- Medienbrüche zwischen Tools und PVS
- Unklare Zuständigkeiten und fehlende Standards
- Unnötige Synchronisation im Team
- Warten, Suchen, doppelte Doku
Diese Muster führen zu Mehrarbeit ohne Mehrwert. Das Ergebnis ist sichtbar im Alltag und unsichtbar in der BWA.
Typische Kostenfallen im Praxisalltag
- Doppelarbeit beim Eintragen Daten aus Mail, Portal oder Formular landen nicht direkt im PVS. Folge ist Abtippen, Nachtragen, Rückfragen. Gegenmittel ist ein definierter Datenfluss bis in die Akte.
- Warten und Suchen Befunde, Atteste, Rezepte liegen verteilt. Niemand weiß sicher, wo die aktuelle Version liegt. Gegenmittel ist eine eindeutige Ablage im Kernsystem mit klaren Rollen.
- Telefonspiralen Rückfragen ohne Standard. Drei Anrufe, zwei Mails, keine Entscheidung. Gegenmittel ist eine Online-Rezeption mit Kategorien, Fristen und klarem Rückmeldepfad.
- Tool-Wildwuchs Sieben Tabs, keine Schnittstellen, mehr Datenschutzaufwand, kein Fluss. Gegenmittel ist Konsolidierung auf Praxissoftware für Kinderärzte plus wenige sauber angebundene Module.
- Unklare Zuständigkeiten Alle machen ein bisschen, nichts wird fertig. Gegenmittel ist RACI mit Verantwortlich, Accountable, Konsultiert, Informiert.
Konkrete Kosten mit Tarif 2025 gerechnet
Beispielrechnung für eine MFA in Tätigkeitsgruppe II mit 5–8 Berufsjahren. Das tarifliche Bruttogehalt beträgt ab 01.01.2025 monatlich 3.027,23 Euro. Der Tarif nennt 1/167 des Monatsgehalts als Stundenwert. Das ergibt 18,13 Euro pro Stunde.
Zu den echten Arbeitgeberkosten zählen die Sozialversicherungsanteile. Für 2025 liegt der Arbeitgeberanteil in Summe bei 20,95 Prozent der beitragspflichtigen Entgelte. Darin enthalten sind u. a. die Hälfte von Krankenversicherung inklusive durchschnittlichem Zusatzbeitrag, Pflegeversicherung, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Zusätzlich kommen Umlage U1, Umlage U2 und die Insolvenzgeldumlage hinzu. Für 2025 betragen diese typischerweise 2,4 Prozent, 0,44 Prozent und 0,15 Prozent. Rechnet man diese Bausteine zusammen, ergibt sich für die Beispiel-MFA ein Arbeitgeber-Stundenwert von rund 22,47 Euro.
Hinweis zur Berufsgenossenschaft. Der BGW-Beitrag hängt von der Gefahrklasse ab und variiert je Praxis. Der neue Gefahrtarif gilt ab 2025, wirkt aber erst mit der rückwirkenden Beitragsrechnung in 2026. Für die Kalkulation oben ist er nicht mitgerechnet.
Was kosten 10 Minuten Reibung pro MFA wirklich
10 Minuten pro Tag, 15 Arbeitstage pro Monat sind 150 Minuten pro MFA. Das sind 2,5 Stunden. Mit 22,47 Euro je Stunde entstehen 56,17 Euro pro MFA und Monat. Bei 10 MFAs sind das 561,75 Euro im Monat, 1.685,25 Euro im Quartal und 6.741,00 Euro pro Jahr. Das ist konservativ gerechnet und nur für eine einzige Reibungsstelle.
Ein Mini-Beispielprozess aus der Praxis
Vorher
Eingang per Mail, Ausdruck, Ablage im Postkorb, Nachtragen ins PVS, Rückfragen am Telefon.
Nachher
Eingang über definierte Adresse, Zuordnung per Patientenkennung, Import ins PVS, Rückmeldung über Online-Rezeption mit Textbaustein, Frist 24 Stunden. Ergebnis ist weniger Telefon, keine Doppelarbeit, nachvollziehbarer Pfad.
| Schritt | Vorher | Nachher |
|---|---|---|
| Eingang | Mail im Teampostfach | definierte Adresse, Auto-Zuordnung |
| Ablage | Ordner, Papier | PVS-Akte |
| Rückmeldung | Telefon oder Mail | Online-Rezeption mit Kategorie |
| Doku | nachträglich | automatisch im PVS |
Der Weg zur Entlastung in drei Phasen
Phase 1 Aufnahme
Prozesskarte vom Eingang bis zur Doku. Medienbrüche markieren. Zeitmessung an drei bis fünf Engstellen. Rollen und Systeme sichtbar machen.
Phase 2 Standard
Soll-Ablauf je Weg festlegen. Checklisten, Textbausteine, Freigabepunkte. RACI pro Prozess. Kennzahlen auswählen.
Phase 3 Digitalisierung
PVS als Kern. Online-Rezeption für Anfragen, Befunde, Rezepte. Digitale Anamnese vor dem Termin. Optional KI-Scripting für Gesprächsnotizen und ein Co-Pilot zur strukturierten Entscheidungsvorbereitung. Saubere Schnittstellen. Kein Copy und Paste.
10-Minuten-Routine pro Schicht
Neue Anfragen nach Kategorien sichten. Drei Standard-Textbausteine anwenden. Offene Aufgaben markieren, Rückfragen bündeln. Alles, was in die Akte muss, direkt im PVS ablegen.
Rollen, Frequenzen, Kennzahlen
Rollen nach RACI
Responsible MFA für Tagesablauf. Praxismanagerin oder Praxismanager für Prozesse und Verträge. Accountable Praxisleitung. Consulted IT-Partner für Schnittstellen. Informed gesamtes Team.
Frequenzen
10-Minuten-Kurzcheck pro Schicht. Monatsreview je Prozess. Quartalsreview für Kennzahlen und Toollandschaft.
Kennzahlen
Anteil Anfragen ohne Telefon. Anteil Dokumente, die direkt im PVS landen. Zeit von Eingang bis Rückmeldung je Kategorie. Erstlösungsquote am Empfang. Updatequote und Vollständigkeit der IT-Inventur.
Was das für die Wirtschaftlichkeit bedeutet
Weniger nicht wertschaffende Zeit. Planbare Taktung. Niedrigeres Fehlerrisiko. Hohe Zufriedenheit bei Team und Eltern. Mehr Kapazität für medizinische Arbeit.
Erste Schritte, die sofort funktionieren
Top fünf Anfragen der Woche erfassen und kategorisieren. Einen Standard-Antwortpfad je Kategorie definieren. Drei Textbausteine erstellen und im Team testen. Einen Prozess messen und einen Engpass auflösen. Termin für die IT-Inventur setzen und Verantwortliche benennen.
Callout und Ausblick
Welche Prozesse sollte man zuerst digitalisieren. Im nächsten Beitrag kommen fünf konkrete Beispiele. Online-Rezeption. Digitale Anamnese. Befundrücklauf. Atteste und Rezepte. Check-in.

